„Was den Menschen zu einem politischen Wesen macht, ist seine Fähigkeit zu handeln; sie befähigt ihn, sich mit seinesgleichen zusammenzutun, gemeinsame Sache mit ihnen zu machen, sich Ziele zu setzen und Unternehmungen zuzuwenden, die ihm nie in den Sinn hätte kommen können, wäre ihm nicht diese Gabe zuteil geworden etwas Neues zu beginnen." (Hannah Arendt)
Im Jahr 1968 war die Bundesrepublik eine kleinbürgerliche und autoritäre Gesellschaft. Ehemalige Nazis saßen in hohen Regierungsämtern, die heimgekehrten Väter redeten nicht mit ihren Kindern über das, was geschehen war. Die geplanten Notstandsgesetze mobilisierten Studenten und Gewerkschafter und eine ganze Generation sah das Freiheitscredo der Amerikaner in Vietnam mit Füßen getreten. Dazu kamen die griechische Militärdiktatur, der Mord an Martin Luther King und der Mord an Benno Ohnesorg. Der tödliche Schuss löste die Breitenwirkung der Studentenbewegung aus. Der gesellschaftliche Umbruch 1968 bringt auch die Friedens- und Frauenbewegung in Gang. "Mehr Demokratie", "Frieden schaffen mit weniger Waffen", "Gleichberechtigung für Mann und Frau" – solche Parolen stehen auf den Fahnen und Spruchbändern der "68er-Bewegung" - in Westdeutschland. Und er bringt die Frage: Wie kann ich anders leben?
Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs in der Tschechoslowakei begann 1968 ein Prozess zur Reformierung des Sozialismus sowjetischer Prägung, der viele Menschen dort erfasste und viele andere aus dem Ostblock hoffnungsvoll dorthin blicken ließ. Auch hier war die Hoffnung: Eine andere Welt ist möglich. Allein, schon die Abschaffung der Zensur im Januar erzürnte Breschnew. Mehrmals ließ er die abtrünnigen Genossen warnen, bevor die Rote Armee im August dann tatsächlich einmarschierte. So sind auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs die Utopien zur Überwindung von Sozialismus bzw. Kapitalismus gescheitert. Westlicherseits haben die Ideen der 68er die Gesellschaft tiefgreifend verändert, östlicherseits überwinterten sie in der Gedankenwelt von Oppositionellen.
In unserer diesjährigen Tagung haben wir die Utopien eines Dritten Weges von 1968 zu einem Schwerpunkt gemacht. Zu Beginn wird Dr. Jürgen Danyel in seinem Eröffnungsvortrag die verschiedenen europäischen Perspektiven auf die 68er Ereignisse darstellen. An die Menschen, die 1968 in der DDR aufbegehrten, wird Stefan Wolle erinnern, zum Verhältnis des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes zur DDR Matthias Pfüller sprechen. Was sich 1968 in Mecklenburg-Vorpommern ereignete, ist das Thema von Christoph Wunnickes Vortrag. Im anschließenden Podium wird die Frage der Utopie eines Dritten Weges in den Vorstellungen der damaligen Akteure diskutiert. Über die Rolle der Kirchen 1968 in der DDR spricht Cornelia von Ruthendorf-Przewoski. Inwieweit sich Vorstellungen bzw. Utopien der 68er in der Programmatik der 89er in der DDR finden lassen behandelt Friedrich Schorlemmer, bevor dann der Schriftsteller und Augenzeuge Jan Faktor über den Versuch, zerschlagenes Porzellan zu kitten und wieder gebrauchsfähig zu machen, nachdenkt. Das zweite Podium der Tagung widmet sich dann den Nachwirkungen des Jahres 1968.
Die Veranstaltung steht allen Interessierten offen und ist als Lehrerfortbildung anerkannt.
Wir freuen uns über Ihre Anmeldung an:
Friedrich-Ebert-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern
Arsenalstraße 8 | 19053 Schwerin
Telefon 0385 512 596
E-Mail schwerin@fes.de | www.fes-mv.de
Tagung
Mittwoch, 26.09.2018 bis Freitag, 28.09.2018
Güstrow und Bützow
Das Programm mit Anmeldebogen zum Download finden Sie hier.
Veranstalter
Friedrich-Ebert-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern
Die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR
Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern
Politische Memoriale e.V.