300 schwerhörige und gehörlose Menschen haben sich seit Einrichtung der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ im Jahr 2017 an die Anlauf- und Beratungsstelle der Landesbeauftragten für MV für die Aufarbeitung der SED-Diktatur gewandt. In der neuen Publikation „Nicht gehört: Gehörlose Kinder in der DDR“ der Landesbeauftragten werden von Sandra Pingel-Schliemann die Erfahrungen von acht gehörlosen Menschen verschiedener Jahrgänge in sonderpädagogischen Einrichtungen der DDR vorgestellt. Sandra Uhlig sorgt mit einem Abriss der bildungspolitischen Entwicklung der Schwerhörigen- und Gehörlosen-Sonderpädagogik in der DDR für die historische Einordnung.
„In der Beratung schwerhöriger und gehörloser Menschen für die Stiftung wurde das Bedürfnis der Betroffenen deutlich, in der heutigen Gesellschaft von der Öffentlichkeit und insbesondere von ihren Angehörigen mit ihren leidvollen Erfahrungen in der DDR wahrgenommen zu werden“, sagte die Landesbeauftragte Anne Drescher. „Im Alter von nur drei bis vier Jahren wurden die Betroffenen in Internaten untergebracht, litten an mangelnder Geborgenheit und daran, sich nicht verständigen zu können. Gebärdensprache wurde nicht gelehrt und ihr Gebrauch unterbunden. Mit belastenden Methoden der Hör- und Sprecherziehung sollten sie auf einen Alltag in der hörenden Mehrheitsgesellschaft vorbereitet werden“, betonte Anne Drescher.
„Der Blick zurück macht aber auch deutlich, wieviel für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe gehörloser und schwerhöriger Menschen auch heute noch nicht eingelöst ist. So gibt es selbst im Förderzentrum Hören in Güstrow immer noch keinen Unterricht in Gebärdensprache. Bei den Beratungsterminen für die Stiftung erleben wir, wie wichtig die Gebärdensprache für die Verständigung mit den Betroffenen ist“, so Anne Drescher.
Noch bis zum 30. Juni 2021 können Betroffene, die als Minderjährige in der DDR in sonderpädagogischen, psychiatrischen oder Behinderteneinrichtungen untergebracht waren, Ansprüche bei der Stiftung anmelden.
In der Publikation werden Alltag und Methoden in den Einrichtungen beschrieben und die entsprechenden Sonderschulen in den Nordbezirken kurz vorgestellt. Neben einem Exkurs zur Gebärdensprache enthält es einen Auszug der rechtlichen Regelungen in der DDR sowie eine Auflistung von Verbänden, Beratungsstellen und Dolmetscherdiensten.
1989 gab es in der DDR 6 Gehörlosenschulen mit insgesamt 819 Schülern sowie 10 Schwerhörigenschulen mit insgesamt 1.528 Schülern. In den 40 Jahren der DDR wurden hochgerechnet etwa 10.000 Kinder und Jugendliche in Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen sowie entsprechenden Hilfsschulen unterrichtet.
Sandra Uhlig / Sandra Pingel-Schliemann: Nicht gehört: Gehörlose Kinder in der DDR. DDR-Sonderschulwesen. Gehörlosenpädagogik in der DDR. Mit Biographien von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Mecklenburg-Vorpommern. ISBN 978-3-933255-62-4. Schutzgebühr 6 Euro.
Online bestellt werden kann die Publikation unter
www.landesbeauftragter.de/publikationen/aktuelle-publikationen/
Das Buch ist auch erhältlich in der Geschäftsstelle der Landesbeauftragten
Tel.: 0385-734006, Fax: 0385-734007, Mail: post{at}lamv.mv-regierung.de.
Anmeldungen bei der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ bis 30.06.2021:
Anlauf- und Beratungsstelle
Stiftung „Anerkennung und Hilfe“
Bleicherufer 7, 19053 Schwerin
Tel.: 0385 / 55 156 901
Fax: 0385 / 734 007
Mail: stiftung{at}lamv.mv-regierung.de
Mehr zur Anmeldung bei der Stiftung erfahren Sie hier.
Die Pressemitteilung der Landesbeauftragten zum Download finden Sie hier.